Ballade von der Dame aus Minden
Da reiste die Dame aus Minden nach Langeoog, Bernstein zu finden.
Läuft viele Stunden um die Insel nach Osten, dreht Runden, lässt Schweiß es sich kosten.
Nur zwei kleine Splitter ihre Beute. Das ist wohl bitter, sagen die Leute.
Sonnenverbrannt ist ihr Gesicht, Füße nass von Wellen und Gischt.
Auch hinkt sie auf einem Bein, weil sie im Sand knickte ein.
Aber sie will nicht klagen Über so nichtige Plagen.
Humpelt bei Ebbe zum Priel, vor den Augen nur ein Ziel.
Ausdauer hat sie und lässt sich nicht lumpen. Sie wird ihn finden den goldgelben Klumpen.
Auf der Sandbank, endlich, hat sie Glück. Sie findet ein faustgroßes Bernsteinstück.
Die Freude ist groß, ihr Herz nicht schwer. Nur merkt sie nicht, dass die Flut kam her.
Vielleicht hat sie noch von der Sandbank gewunken. Dann ist sie mit ihrem Klumpen im Meer versunken.
Den Bernstein, ihr Leute aus Minden, den könnt ihr heute noch finden.
Doch die Moral von der Geschicht': Bei auflaufendem Wasser suchet nicht.
Ein Jahr später, auf die Stunde genau, sieht eine junge, sehr hübsche Frau
vor sich im Sand, dem feuchten, ein goldenes Schmuckstück leuchten.
Kann das ein Bernstein, ein richtiger sein?
Doch was für ein schmales, weißes Ding greift rund um den Stein fast wie ein Ring?
Hat das Meer Bernstein ans Licht gebracht und noch eine Fassung dran gemacht?
Dass ein bleicher Fingerknochen auf einem Bernstein kommt gekrochen,
ist wahrscheinlich Insellatein, lange gesponnen und sehr fein.
Nur die Dame aus Minden Konnt' bis heut keiner finden. |
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